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BALLETTMUSIK

Alle Videoaufnahmen werden in memoriam von Jaroslaw Jurasz (+2014) veröffentlicht.

 

 

Alexis Zorbás - Die Geschichte eines Griechen

Vom ersten Moment an hört – oder besser – erlebt man sofort und ohne große Erläuterungen die Koexistenz der zwei Musikwelten: einerseits die westliche Musik und andererseits die südöstliche musikalische Tradition; und das quer durch die Zeit. Die Kombination des majestätischen und auch feinen, des glänzend mehrfarbigen und doch esostrephischen Klanges des Symphonieorchesters mit dem diskreten und charakteristischen Klang der traditionellen Musikinstrumente (hier Santouri bzw. Hackbrett) vermag einen neuen tadellosen, qualitätvollen Klang zu erschaffen. Er ist nicht das Produkt einer akademischen Instrumentierung, einer Melodie und der einfachen Harmonie nach traditioneller Art für Symphonieorchester, gewürzt mit einigen populären Volksinstrumenten. Er ist auch nicht eine simple Bearbeitung von Volkstönen für ein traditionelles Orchester mit dekorierender Mitwirkung eines symphonischen Ensembles. Dieser neue Klang ist das Produkt der Osmose, des Ineinanderdringens zweier Ausdrucksformen der Musik. Nicht der musikalische Text steht im Mittelpunkt, sondern die musikalische Aussage, der Sinn jedes Stückes. Und nicht nur das. Bei manchen Stücken wird vom Symphonieorchester verlangt, seine Spieltechnik der traditionellen Technik anzupassen, um noch mehr Möglichkeiten des musikalischen Ausdruckes zu erschaffen.

 

 

Kasper Hauser

Ein Bogen vom Barock bis zur heutigen Musiksprache basiert auf der Geschichte von Kasper Hauser

 

Ich wurde gefragt, warum Kaspar. Was bedeutet Kaspar Hauser als Subjekt eines Bühnenwerkes? Und welche Falten der Geschichte boten Inspiration für meine Musik? Aus erster Sicht sollte die Musik zu den anderen Dimensionen eines abendfüllenden Bühnenwerkes passen: Die Dramaturgie führt den Zuschauer, wie der Faden der Ariadne, durch die verschiedenen Punkte der Erzählung. Die Musik lässt den Zuschauer dabei empfinden. Das Gesamtergebnis muss atemberaubend sein, wie jenes Gefühl und jene Wärme, die man spürt, wenn die Vorstellung vorbei ist, aber immer noch in unserem Inneren weiterstrahlt. Dieses Nachdenken und Nachempfinden der Menschen scheint zwar das Endergebnis zu sein, es ist aber zugleich der Keim der Inspiration für ein Werk. Der Künstler beginnt damit zu arbeiten, was er den Menschen schenken will, und das ist und bleibt unmateriell: Es sind die Gedanken, die Gefühle und die Symbole.

 

Kaspar war ein Junge, der seine Kindheit in einem dunklen Verlies verbrachte. Er wusste nicht, dass eine große farb- und klangvolle Welt um ihn herum existierte. Eines Tages stellte man ihn vor die Wahl. Zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben hatte Kaspar eine Entscheidung zu treffen. Ob diese richtig oder falsch war, verändert im Grunde das Symbol „Kaspar“ nicht: Was geschieht, wenn einem Individuum, das nie zuvor die Freiheit kannte, die Freude des Erfolges und das Leid des Misslingens niemals spürte oder gar das Maß, die Gefahr, den Gewinn und das Mitgefühl nie ins Gleichgewicht brachte, das vermutlich Höchste geschenkt wird: die Freiheit der Entscheidung!? Diese Frage betrifft nicht nur den Fall „Kaspar Hauser“. Es gibt unzählige Fälle in der Geschichte, in denen ein Mensch oder sogar eine ganze Gesellschaft gefangen gehalten wurde und eines Tages die Entscheidungs- und Selbstbestimmungfreiheit errungen hat. Die Art der Gefangenschaft ist nicht nur körperlich gemeint. Es kann durchaus kulturelle, religiöse, ökonomische oder politische Unterdrückung die Rolle der Gefangenschaft übernehmen. Das Symbol „Kaspar“ steht für die Geburt der freien Entscheidung. Es wurden oft die falschen Entscheidungen gefällt, wie man hinterher auswertend zurückblickt. Aber das ist nicht der springende Punkt, sondern der freie Wille.Kaspar ist weder der Held noch der Weise. Das Symbol selbst bietet die Spannung an: Der Höhepunkt der Geschichte ist der Augenblick der Entscheidung (Finale 1. Akt). 

 

 

Maria Magdalena (Tanzoper)

Maria Magdalena ist eine der „menschlichsten“ heiligen Personen. Sie ist nicht gütig und rein, wie Maria, geboren worden. Sie stieg aus der Sünde heraus hoch auf den Rang der Heiligen. Und das erreichte sie durch ihre Liebe zu Jesus. Diese göttliche, heilige und erlösende Liebe belehrt uns ihre Geschichte. Wer von uns ist sündenfrei? Wer hatte keine Fehltritte in seinem Leben?Maria Magdalena zeigt uns den Weg der Erlösung. Er ist die Liebe. Er ist Reue. Die Passion Christi war ihre Passion. Seine Auferstehung war auch die ihre. Nach der Grabesmusik im Finale des Werks erklingt die Hymne des Auferstandenen Erlösers dreimal. Das erste Mal versinnbildlicht Seine Auferstehung. Das zweite symbolisiert seine Gemeinde, seine Kirche, von jenem Tag bis heute. Es folgt eine grausame Musik. Die Tore der Hölle öffnen sich und wollen die ganze Schöpfung verschlingen. Die Stimme des Engels fragt rhetorisch: „Was sucht ihr den Lebendigen unter den Toten?“ Hesses Wort folgt. Es ist die Liebe. Das dritte Mal erklingt die Hymne, deutend auf das Ende dieser und den Beginn der neuen, verklärten, verheißenen und auferstandenen Welt, über die die Botschaft Maria Magdalenas an die Jüngerer Christi verkündete: „Er ist auferstanden.“ Und sie wusste schon: „Wir sind auferstanden.“

 

Die gesungenen Texte entstammten einerseits der Feder von Hermann Hesse und fokussieren auf das Kernthema „Liebe“ und andererseits aus der Heiligen Hymnologie der Karwoche der Urchristlichen Kirche, deswegen besitzen sie Ökumenischen Charakter.

 

Musikalisch begegnet die westliche Ausdrucksweise der Ostmittelmeermusiktradition. Das Drama verläuft auf verschiedenen Ebenen. Die lyrischen Elemente entladen sich ungewöhnlicherweise oft eruptiv, wodurch die innere Wende Magdalenas unterstrichen wird. Liebe und Hass bilden die Pole, zwischen denen Bewegung entsteht: Welten bewegen, treffen und verschmelzen sich. Der Weg ist einer.

 

 

Pinocchio

Die Herausforderung, ein Märchen wie Pinocchio in Musik zu verwandeln, besteht vordergründig darin, die richtige musikalische Sprache zu wählen. Greift man in die Trickkiste der zeitgenössischen Musik und holt alle möglichen Klangeffekte eines Symphonieorchesters heraus oder wendet sich der Komponist an die alten guten Rezepte der Klassik, um die Geschichte zu skizzieren? Die Musik soll in jedem Fall der Handlung folgen und dienen, frisch und zugleich abwechselnd lyrisch und dramatisch wirken. Pinocchio verkörpert den großen unerfüllten Wunsch – das Wunder, für das man betet. Pinocchio ist die abenteuerliche Reise von der kindlich naiven Spontaneität bis hin zur Reife. Begleiter des Märchenhelden ist die „gute Fee“: das reine Gewissen, das Wunder zu bewirken vermag!

 

Dieses Gewand muss auch die Musik kleiden. Sie soll überraschungsvoll und frisch während der Handlung klingen, aber auch introvertiert, wenn es sich um die Gefühle, z. B.  einer lebenden Marionette, handelt. Die Balance der Sprache und das Gewebe aus Klassik und modernem symphonisch-musikalischen Ausdruck (das Symphonie­orchester bietet schließlich eine enorme Palette aus Klangfarben und Kombinationen an) war für mich, als Komponist, eine große Herausforderung. Pinocchio als Ballettpro­duktion ist auf jeden Fall etwas Einzigartiges.

 

 

Scrooge

Scrooge als Umsetzung der Erzählung "Eine Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens zum Ballett ist ein Werk voller Symbole und Botschaften. Ich habe versucht, die Geschichte so zu vertonen, dass sowohl das „Entkitschen“ der Konsum verstandenen Weihnachtswelt als auch ihre philanthropische Musterpflicht thematisiert werden.

 

Musikalisch ist dieses Bühnenwerk, genauso wie all meine früheren sechs Ballette, eine Osmose zwischen abendländischer und griechischer Musikästhetik: Die Kombination des majestätischen und auch feinen, des glänzend mehrfarbigen und doch esostrephischen Klanges des Symphonieorchesters mit dem diskreten und charakteristischen Klang der traditionellen musikalischen Eingebung aus dem südöstlichen Mittelmeerraum vermag einen neuen tadellosen, qualitätvollen Genuss zu erschaffen, Dies bezeugten der Anklang und die Reflexionen des Publikums und der Presse bis heute.

 

 

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